Wernigerode

07.09.2014

Schloss Wernigerode

Meine Lieblingsstadt im Harz, Ort meiner Jugend und lange zurückliegenden Abiturzeit: Wundervolles Rathaus, tolles Schloss, romantisches Fachwerk in der Innenstadt wohin das Auge blickt.

Ein Ort, wie geschaffen für Touristen – und was ist mit Ladestationen?

Renault sagt nein

Als ich Anfang dieses Jahres im Internet nach Ladestationen in Wernigerode suche, finde ich einen (inzwischen gelöschten) Eintrag in einem Ladestationsverzeichnis, der einen 22kW-Ladepunkt bei einem ortsansässigen Renault-Händler beschreibt.

Ich rufe dort an und erhalte die Info, dass die Ladesäule nur intern genutzt wird und Durchreisenden leider nicht zur Verfügung steht. 🙁

Ehrlich, ich verstehe es nicht. Wie will man mit so einer Einstellung Elektroautos verkaufen? Will man anscheinend nicht.

Ladestationen der Stadtwerke Wernigerode

Im einigen Ladestationsverzeichnissen sind auch zwei Ladesäulen der Stadtwerke Wernigerode aufgeführt, allerdings nur mit je einem(!) Schuko-Anschluss ausgewiesen. Auf Nachfrage stellt sich jedoch heraus, dass beide Stationen auch je einen 22kW-Typ-2-Anschluss haben. Na bitte!

Hocherfreut poste ich einen entsprechenden Hinweis im GE-Forum, woraufhin sich direkt jemand mit einer ZOE von Braunschweig aus auf den Weg macht, diese Säulen für’s Verzeichnis zu fotografieren und zu testen.

Es stellt sich heraus: ZOEs laden an diesen Stationen nicht. 🙁

Es sind alte Siemens-Säulen (CP700A) von 2011. Die Stadtwerke Wernigerode – Betreiber der Säulen – schreiben mir dazu im März 2014:

Ladesäule Siemens CP700A

„Nach Rücksprache mit Siemens ist das Ladeproblem mit dem Renault ZOE bereits bekannt. Es liegt an der besonderen Ladecharakteristik des Fahrzeuges.

Beim 3-phasigen Laden über Stecker Typ 2 wird mit einem niedrigen Anfangsladestrom begonnen und dann über die Kommunikationsschnittstelle zwischen Fahrzeug und Ladesäule schrittweise auf das mögliche Maximum erhöht.

Beim Renault ZOE liegt der vom Fahrzeug benötige bzw. geforderte Anfangsladestrom über den derzeitigen Sicherheitseinstellwerten in den Siemensladesäulen von 2011.

Nach Aussage von Siemens ist man allerdings dabei, dieses Problem gemeinsam mit Renault zu lösen. Erste Tests laufen wohl dazu bereits in Österreich.

Sobald es eine saubere Lösung gibt, will Siemens an uns herantreten.”

Meine diesbezügliche E-Mail an Siemens wird leider nicht beantwortet. Die avisierte Lösung scheint bislang nicht in Sicht.

 

Ei und Henne

Nicht ganz zu Ende durchdacht scheint mir auch die Handhabung der Ladestrom-Abrechnung und die Freischaltungsmethode durch die Stadtwerke WR:

Sie bieten einen für Ortsansässige sicher attraktiven Vertrag an, mit dem man für eine Jahrespauschale von aktuell 72,- € (brutto) eine Lade-Flatrate bekommt, also so oft und so viel laden kann, wie man möchte.  Die Säulen werden dann per Tankkarte bzw. Chip freigeschaltet.

Das ist an sich wunderbar, aber was machen Touristen, die nur einige wenige Male im Jahr laden wollen? Die werden sicher keinen Jahresvertrag abschließen und 72,- € für eine Handvoll Ladungen berappen wollen.

Hier zeigen sich die Stadtwerke kulant und sagen:

„Wenn es sich nur um Einzelfälle handeln sollte, besteht auch die Möglichkeit unter der Telefonnummer 03943 / 556-111 die Ladesäule von einem Stadtwerkemitarbeiter zum An- und Abklemmen öffnen zu lassen.”

Zum An- und Abklemmen – dieser Mitarbeiter muss also je Ladevorgang zwei Mal gefahren kommen. Wenn es sich um die Ladesäule in Hasserode handelt, sind das etliche Kilometer. Das scheint mir doch sehr umständlich und auch unökonomisch. Was für ein Aufwand!

Vermutlich haben die Stadtwerke das nur deshalb noch nicht satt, weil der Fall zu selten eintritt. Und der Fall tritt deshalb so selten ein, weil von den aktuellen Elektroautos außer der Renault ZOE nur Tesla Model S und Smart ED mit Zusatzlader überhaupt an AC-Ladepunkten schnellladefähig und damit fernreisefähig sind. Alle anderen kommen gar nicht erst in vertretbarer Reisezeit bis in den Harz. (DC-Ladestationen gibt es bislang dort keine.)

Wenn nun von diesen drei Modellen auch noch eins (die ZOE) komplett wegfällt, weil sie ja an diesen Säulen nicht laden kann, dann kann man die Gelegenheiten, an denen E-Touristen in Wernigerode laden kommen, im Jahr sicher an einer Hand abzählen.

Irgendwann werden dann die Säulen wieder abgebaut mit der Begründung, es wären ja nicht genug E-Autos zum Laden gekommen.

Aaaaaaah!

E-Touristen? Nein danke.

Eine Stadt wie Wernigerode, die zum großen Teil vom Tourismus lebt, müsste doch das Potenzial, das Elektroautofahrer für den Umsatz des Hotel- und Gaststättengewerbes darstellen, erkennen? Eine solvente Zielgruppe, die noch dazu umweltfreundlich anreist – und mindestens die Ladepause überbrücken muss…

Am Jahresanfang, als mein missionarischer Eifer noch groß ist, schreibe ich u.a. die Wirtschaftsförderung und die Tourismus-Zentrale in Wernigerode an. Auch einige Hotels/Landhäuser, in denen ich schon öfter übernachtet habe. Die Reaktion ist gleich null. Ich werde nicht mal einer Antwort gewürdigt. Was soll man davon halten?

Lichtblicke

Ich schreibe auch das Kloster Drübeck an. Liegt zwischen Wernigerode und Ilsenburg.

Zu Beginn unserer Korrespondenz gibt es die klassischen Missverständnisse („Ich denke, dass das deutsche Tankstellennetz gut ausgebaut ist und von dort natürlich auch die „Betankung“ von Elektroautos zu deren Aufgabe gehört. Hier in Drübeck ist z. B. ca. 500 m entfernt eine Tankstelle, die das für den Ortsteil Drübeck sehr gut übernehmen kann.” – Nein, so funktionieren Elektromobilität und Kundenbindung nicht.) Aber es gibt immerhin Korrespondenz. Und siehe da, nach einiger Zeit:

„[…]ich habe gute Nachrichten. Ihr Anliegen wird in den bald beginnenden Ausbau/Erweiterung unseres Parkplatzes aufgenommen.”

Abgesehen davon, dass es ja eher deren als mein Anliegen sein sollte – wunderbar!

Auch das Landhaus „Zu den Rothen Forellen“ in Ilsenburg hat inzwischen eine Ladestation installiert. Die hat zwar nur eine Ladeleistung von 11kW und darf auch nur von Hotelgästen und Gaststättenbesuchern/innen genutzt werden, aber dafür ist der Ladestrom kostenlos.

Und wie mir der Betreiber mitteilt:

„Wenn Sie während Sie tanken bzw. laden z.b. einen Kaffee trinken, wären Sie schon unser Gast und Sie können den Service in Anspruch nehmen.”

Vorläufiges Fazit

Wernigerode – der Ostharz überhaupt – verschenkt Potenzial und verpennt eine große Chance. Ich kenne etliche Elektroautofahrer/innen, die gern öfter in den Harz fahren würden, wenn es denn strategisch gut platzierte Schnellladesäulen geben würde.

Der Westharz hat die Zeichen der Zeit besser erkannt. HarzEnergie hat gerade eine 22kW-Ladestation am Parkplatz Torfhaus errichtet. Der Ladestrom dort wird bis auf Weiteres kostenlos abgegeben. Weitere 22kW-Ladestationen werden in Kürze auch in Herzberg und Braunlage zur Verfügung stehen.

Wenn der Ostharz auch E-Touristen abhaben will, muss er langsam mal nachziehen.