Offener Brief an den VCD

07.10.2015

Der VCD, nach eigener Aussage „der ökologische Verkehrsclub – für eine umweltfreundliche Mobilität”, tut sich mit Elektromobilität bekannter- und seltsamerweise etwas schwer. Elektroautos werden nicht als wünschenswerte Alternative positioniert und in der „VCD Umweltliste” (die die Frage „Welches Auto ist am umweltverträglichsten?” beantworten will) werden sie bis heute stiefmütterlich in eine separate Elektroauto-Liste ausgegliedert. Am liebsten sähe es der VCD wohl, wenn wir alle mit Pedelecs durch die Gegend führen.

Jetzt hat Julian Affeldt, streitbarer Gründer der Interessengemeinschaft Elektromobilität Berlin-Brandenburg (IGEMBB), einen offenen Brief an Herrn Gerd Lottsiepen, den verkehrspolitischen Sprecher des VCD, geschrieben:

Sehr geehrter Herr Lottsiepen,

dieser Tage vergeht kaum eine Nachrichtensendung, in der nicht über neue Details der Abgasmanipulationen bei Diesel-Fahrzeugen berichtet wird. Der Skandal scheint kein Ende zu finden. Weder ist bisher genau bekannt, welche Hersteller Manipulationen vorgenommen haben, noch welche Techniken dabei genau eingesetzt wurden oder welche Fahrzeuge genau davon getroffen sind. Dieser Skandal hat nicht nur massive Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, sondern natürlich auch auf die Umwelt und unser Klima.

Leider sehen wir beim VCD zwar Kritik an der Automobilindustrie, u.a. an den Testverfahren und dem Trend zu immer größeren und stärkeren PKW, doch wir vermissen den eigentlich wichtigsten Schritt.

Herr Lottsiepen, wir fordern Sie und den VCD nunmehr auf, die aktuelle VCD-Umweltliste zu stoppen und nicht weiter zu verbreiten, sowie offiziell die Ergebnisse und Rankings zurück zu ziehen.

Seit Jahren ist es dem VCD angeblich nicht möglich, Elektroautos und PlugIn-Hybride in die offiziellen Listen aufzunehmen. Dies wird stets damit begründet, dass es angeblich keine verlässlichen Verbrauchsdaten oder keine verlässliche Methodik dafür gäbe. Auch äußert der VCD noch immer Thesen und Behauptungen über die Elektromobilität, die, wie Ihnen mehrfach dargelegt, nicht haltbar sind. Dabei bieten genau diese Fahrzeuge die Option, besonders emissionsarm zu sein und den Ausbau der erneuerbaren Energien in unserem Land und weltweit massiv zu fördern und zu beschleunigen.

Doch der Abgasskandal zeigt nun mehr als deutlich, dass gerade bei den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor die gewählte Methodik noch viel weniger verlässlich und absolut unzuverlässig ist. Wenn Abgasgrenzwerte um das zig-Fache übertreten werden, dann zeigt dies, dass ein Ranking von Fahrzeugen mit diesen Antriebstechniken derzeit unter keinen Umständen möglich ist.

Weiterhin müssen als Konsequenz daraus auch alle bisherigen Umweltlisten, Ergebnisse, Empfehlungen und Rankings für nichtig erklärt werden. Man muss davon ausgehen, dass sich umweltbewusste PKW-Käufer aufgrund Ihrer Publikation für Fahrzeuge entschieden haben, die nun, im Lichte der neuesten Erkenntnisse, zu den größten Umwelt-Sündern gezählt werden müssen. Diese werden nun voraussichtlich noch auf Jahre hinaus im Einsatz sein und massiv überhöhte Abgasmengen emittieren. Ob eine Nachrüstung oder Optimierung der betroffenen Fahrzeuge überhaupt möglich ist, ob sie durchgeführt werden und ob die Kunden dazu verpflichtet werden, ist heute noch nicht absehbar. Ggf. wurden diese Fahrzeuge bereits weiter verkauft und ins Ausland verbracht, wo sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Nachrüstung erfahren werden.

Verehrter Herr Lottsiepen, der VW-Abgasskandal führt eindrücklich vor Augen, dass Fahrzeuge, die ausschließlich mit fossilen Energieträgern betrieben werden können, in einer UMWELT-Liste keinen Platz mehr haben. Das Festhalten an veralteten Antriebstechniken hat dem VW-Konzern, seinen Töchtern, den Mitarbeitern und der deutschen Wirtschaft weit mehr geschadet, als es das Vorantreiben neuer Technologien getan hätte, für das hohe Investitionen, Mut und vor allem Verantwortung notwendig gewesen wären. Wir hoffen sehr, dass der VCD in Zukunft wesentlich verstärkt wirklich umweltfreundliche und nicht-manipulierbare Antriebstechniken in den Vordergrund stellt. Hierzu zählen wir neben der Elektromobilität ausdrücklich auch die Nutzung von ökologisch vertretbarem Biogas und Wasserstoff auf der Basis erneuerbarer Energien.

Selber von COPD betroffen, wäre auch mir persönlich dies ein besonderes Anliegen.

Mit freundlichen Grüßen
Interessengemeinschaft Elektromobilität Berlin-Brandenburg
c/o J. Affeldt

(mit freundlicher Genehmigung des Autors)