Görlitz

06.10.2017

Görlitz, Neissebrücke, Waidhaus und St. Peter und Paul

Von Hannover aus in den Süden sind wir nun schon öfter mit dem Elektroauto ZOE gefahren. Jetzt geht es mal in den Osten – nach Görlitz. Für alle, die nicht wissen, wo das liegt: Also Deutschland, ja?, rechts unten Sachsen und hier rechts unten in der Ecke ist Görlitz. Aber jetzt echt mal: Wer das nicht weiß, hat eine Bildungslücke – denn Görlitz ist eine der schönsten Städte Deutschlands. Leider nur halt ziemlich „ab vom Schuss”. Von unserem Wohnort aus sind es 515km.

Ohne Kosten in den Osten

Ich berechne eine Route mit ausschließlich kostenlosen Ladestationen. Görlitz ist für uns mit nur 4 Ladestopps zu erreichen, alles 43kW an Ladestationen bei Tank & Rast. 🙂  Die Route führt über die A2, A14 und A4. Die anzufahrenden Ladestationen befinden sich an den Raststätten Marienborn, Plötzetal, Muldental und Dresdner Tor. Da die Ladesituation in Görlitz selbst etwas ungewiss ist, füge ich sicherheitshalber noch einen fünften Ladestopp an der Raststätte Oberlausitz hinzu, damit wir nicht leer ankommen und noch genug Saft im Akku haben, um in den nächsten Tagen einige Nahziele in der Stadt zu erreichen.

Der Routenplaner will uns mit einer Fahrzeitprognose von nur gut 7 Stunden aufmuntern, aber er kalkuliert die Ladezeiten immer nur so knapp, dass es gerade so bis zum nächsten Ladepunkt reicht. Das ist mir zu unsicher. Wir werden bei jedem Ladehalt mindestens bis 90% laden und also länger brauchen. Mal sehen, wie lange. Zwischen Magdeburg und Halle gibt es auch noch einige Baustellen.

Hier ist die Route Hannover-Görlitz mit ihren Ladestopps.

Unterwegs

Wir fahren früh um 6 Uhr los. Es ist noch dunkel und es regnet. Bäh. Aber kurz vor unserem ersten Ladehalt in Marienborn lichtet sich der Himmel vor uns und färbt sich geradezu kitschig morgenrot ein. Die restliche Strecke fahren wir bei fast klarem Himmel und Sonne. Wenn Engel reisen… 😉

Ich stelle den Tempomat auf 100km/h und wir gleiten entspannt bei guter Musik dahin. LKW überhole ich mit 120km/h und lasse mich dann immer wieder auf 100 ausrollen.

Etwas riskant an unserer Ladeplanung ist, dass an den Tank & Raststätten immer nur eine einzige Ladesäule vorhanden ist. Sie kann zugeparkt, belegt oder defekt sein.

Aber ich mach es mal kurz, um die Spannung rauszunehmen: Alles klappt wieder mal problemlos. Jede Ladestation, zu der wir kommen, ist frei und funktioniert. Und ich kann es nur immer wieder betonen: Schnellladefähigkeit ist das K.O.-Kriterium auf Langstrecke. Es macht einen Riesenunterschied, ob das Laden nur eine halbe oder eine ganze Stunde dauert. Eine halbe Stunde ist praktisch nix: Pinkeln gehen, ein Heißgetränk schlürfen, vielleicht einen Happen essen – Zack, fertig, über 90%. Eine ganze Stunde hingegen ist gefühlt dreimal so lang. Wir sind inzwischen echt verwöhnt von den 43kW-Schnellladern an den Autobahnen und der Fähigkeit unserer alten ZOE natürlich, diese Ladeleistung auch verarbeiten zu können. Ich sag’s mal mit Erich, war ja gerade Tag der Deutschen Einheit: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!” 😉

Es gibt noch verkehrsbedingte Verzögerungen unterwegs. Stop-and-go an den Baustellen vor Halle und etliche Kilometer bei Dresden. Unfall in der Gegenrichtung, Autobahn dort voll gesperrt, und in unserer Richtung kriecht der Verkehr auf 3 Spuren kilometerlang dahin, weil irgendjemand mal angefangen hat zu glotzen. Direkt nach der Unfallstelle wird es wieder flüssig.

Insgesamt benötigen wir knapp 9 Stunden für die Tour. Klingt wieder viel, aber wir kommen total entspannt an. Der Partner Acceptance Factor ist wieder ein Stück gestiegen und nähert sich 100%. 🙂

Laden in Görlitz

Mit öffentlichen Lademöglichkeiten sieht es in Görlitz leider noch sehr mau aus. Es gibt 2 Ladepunkte mit Schuko(!), einen mit 11kW Typ 2 und zwei Ladestationen mit 22kW Typ 2. Keine einzige dieser Ladestationen ist rund um die Uhr zugänglich; laden kann man hier nur Mo-Fr tagsüber.

Eine weitere 22kW-Typ 2-Lademöglichkeit  besteht in einem Hotel, und ein anderes Hotel bietet noch 11kW per CEE-Dose an, jeweils aber nur für Hausgäste.

Schnelle Gleichstromladung mit CCS oder CHAdeMO gibt es in Görlitz gar nicht. 🙁

Die eine 22kW-Ladestation befindet sich etwas außerhalb bei einem Renault-Händler (hier wäre Laden auch samstags Vormittag möglich), die andere relativ zentrumsnah bei der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft Görlitz eG, kurz GWG. Da fahre ich vor unserer Rückreise hin, um am Tag darauf mit vollem Akku starten zu können.

Laden bei der GWG

Dank der Beschreibung im GE-Stromtankstellenverzeichnis finde ich den Ladepunkt ohne Probleme. Er dient normalerweise dem Aufladen der GWG-eigenen ZOE. Als ich ankomme, ist er frei. So richtig öffentlich ist diese Ladestation nicht, man kann sich aber in der GWG-Geschäftsstelle ein paar Häuser weiter melden und darf dann als Gast laden. Steht jedenfalls so in der Beschreibung. Ich probiere trotzdem erstmal meine Ladekarten und Ladeschlüssel aus. Die Station piept, aber gibt keinen Strom frei. OK, war zu erwarten. Dann schlendere ich mal rüber zur GWG.

Ich klingele, aber es  ist anscheinend niemand da. Hm. Mittagszeit, um halb 12? Dann kommt eine Frau, sieht mich vor der Tür stehen, sagt: „Es ist keiner da.” und entpuppt sich gleich darauf als diejenige, die dann da ist. Ich frage sie freundlich nach der Lademöglichkeit, aber sie weiß von nichts oder jedenfalls weiß sie nicht, wie das gehen soll und erzählt mir was von Betriebsprüfung und Stromabrechnung. Hm. Blöd. Wieso steht das dann so im Verzeichnis und wer hat das da so eingetragen? Ich verabschiede mich und checke nochmal die anderen Lademöglichkeiten.

Der Renault-Händler ist mir zu weit draußen und die Stadtwerke Görlitz haben ihren 11kW-Ladepunkt mit hohen Hürden versehen: Die Anfahrt ist kompliziert, Laden nur nach Registrierung während der Öffnungszeiten im Kundenbüro ganz woanders unter Vorlage des Personalausweises – och nö Leute, lasst mal stecken.

Bis zum ersten Schnelllader auf dem Heimweg kommen wir ja noch, dann laden wir eben auch auf der Rückfahrt fünf Mal statt vier Mal, ist jetzt nicht sooo dramatisch.

Ich fahre unverrichteter Dinge von der GWG-Ladestation weg. Als ich in die nächste Straße abbiege, kommt mir eine ZOE entgegen und im Rückspiegel sehe ich sie zur GWG einbiegen. Na das ist doch bestimmt deren Dienstfahrzeug. Ich wende und fahre hinterher. Richtig – es ist die GWG-ZOE. Nun gerate ich endlich an den Richtigen.

Charge & Plausch

Ich spreche den Fahrer an und wir haben sofort einen Draht zueinander. Er scheint sich sehr zu freuen, endlich mal mit jemandem fachsimpeln zu können. Ja, als Pionier hat man’s nicht leicht… Besonders wenn man in einer Stadt lebt, die ladetechnisch noch völlig unterentwickelt ist.

Aber erstmal schließen wir meine ZOE an und mit seiner Karte schaltet er mir die Ladung frei. Ich brauche nicht viel, der Akku hat noch 75%, aber es gibt auf jeden Fall 5,- € in die Kaffeekasse.

ZOE am GWG-Ladepunkt in Görlitz
ZOE am GWG-Ladepunkt in Görlitz (links)

Der GWG-Mitarbeiter lädt mich in sein Büro ein und wir verbringen die nächste halbe Stunde damit, uns gegenseitig von unseren elektromobilen Erfahrungen zu berichten und ich kann ihm noch den einen oder anderen Tipp geben. Jetzt muss er nur noch seine Kollegin briefen, damit der nächste Ladegast, der nach Görlitz kommt, nicht wieder abgewimmelt wird, wenn er gerade nicht da ist.

Vielen Dank jedenfalls für die Lademöglichkeit und den sehr netten Kontakt!

Rückreise

Am nächsten Morgen brechen wir wieder nach Hause auf. Dank vollem Akku brauchen wir auf dem Rückweg nur 4 Ladestopps – ankommen können wir ja hier mit dem letzten Prozent.

Es ist Feiertag und so fahren fast keine LKW, aber das Verkehrsaufkommen ist relativ hoch. Viele haben den Brückentag genutzt und sind nun wie wir auf der Rückreise.

Auf der ersten Etappe regnet es und ich reduziere gegen Ende die Geschwindigkeit auf 90km/h, weil das Wasser, der Gegenwind und die Landschaft doch den Verbrauch in die Höhe treiben. Die Ladestation an der Raststätte Dresdner Tor erreichen wir sicher mit 10km Rest.

Die übernächste Säule in Plötzetal ist zugeparkt, aber ich kann rechts der Säule mit der halben ZOE auf den Gehweg fahren und bin dann nah genug für die Länge des fest angeschlagenen Ladekabels.

Auch die letzte Ladestation in Marienborn ist komplett zugeparkt. Tag der Deutschen Einheit – da besuchen viele die Gedenkstätte hier am alten Grenzübergang. Weder links noch rechts der Säule ist ein Durchkommen möglich, also bin ich dreist und fahre in großem Bogen von links kommend ein ganzes Stück auf dem Gehweg, so dass ich dann neben der Säule und quer vor den parkenden Verbrennern stehe. Ja, da guckt ihr, wa? 😉

ZOE in Marienborn
ZOE in Marienborn, quer auf dem Gehweg (einige die Ladesäule zuparkende Verbrenner waren zum Zeitpunkt des Fotos schon wieder weggefahren)

Tank & Rast hat die Ladeplätze leider weder beschildert noch anderweitig markiert. Ich hoffe, das kommt noch.

Wir nutzen die Ladezeit in Marienborn, um uns ebenfalls die Gedenkstätte Deutsche Teilung anzuschauen.

Vergangenheit und Gegenwart

Ich hätte mit mehr Besuchern gerechnet. Es ist zwar relativ voll, aber hält sich in Grenzen (har har). Dann ein leichter Schock: Stephan Krawczyk spielt draußen live – vor einer Handvoll spärlich besetzter Stühle. Stephan Krawczyk! Du hast uns mit deinen „Wieder stehen“-Liedern in den letzten beiden DDR-Jahren viel Mut gemacht. Nun sitzt du hier und kaum jemand hört dir zu. Fast hat es etwas von Autohauseröffnung.

Stephan Krawczyk in Marienborn
Stephan Krawczyk live in Marienborn

Es tut ein bisschen weh und wir schauen nur kurze Zeit zu.

Nachdenklich kehren wir zu unserer ZOE zurück.

Die letzte Etappe verläuft unproblematisch und wir kommen wohlbehalten wieder zu Hause an.

Fazit

Görlitz ist eine wunderschöne Stadt und eine Reise wert. Schnelllader sind inzwischen auch auf der Ost-West-Achse ohne Lücke vorhanden. (Noch sind sie bei Tank & Rast sogar kostenlos.) In Görlitz selbst mangelt es noch an öffentlichen Lademöglichkeiten.


(Görlitz-Foto: „Görlitz, Neissebrücke, Waidhaus und St. Peter und Paul” by Hans Peter Schaefer)