plusminusminus

11.10.2017

In den vergangenen vier Jahren habe ich etliche Zeitungsartikel gelesen und Fernsehsendungen gesehen, die das Thema Elektromobilität kritisch kommentierten. Es gab sehr viel hanebüchenen Unsinn darunter, und wenn es mir sehr weit daneben schien, hab ich auch Kommentare und Leserbriefe verfasst. Mit der Zeit hat das etwas nachgelassen. Zum einen wurde die Berichterstattung in den Medien inzwischen tatsächlich besser, zum anderen wurde mein Fell dicker.

Nun hat das Öffentlich-Rechtliche, konkret die ARD, in der Sendung plusminus am 04.10.2017, 21:45 Uhr einen Beitrag unter dem Titel „Der Traum vom Elektroauto” gesendet, den ich so haarsträubend fand, dass ich mich doch mal wieder an die Tastatur gesetzt habe, um den Redakteuren dieser Sendung eine Rückmeldung zu geben.

Der Traum vom Elektroauto

Bitte lest unbedingt die offizielle Beitrags-Seite des Senders, um die folgende Korrespondenz nachvollziehen zu können. Für den Fall, dass diese Seite irgendwann offline geht oder inhaltlich verändert wird, habe ich einen Screenshot angefertigt.

Kurze Inhaltsangabe:

  • Elektroautos haben eine schlechte Ökobilanz
  • die Ladeinfrastruktur ist kaum realisierbar
  • die Alltagstauglichkeit ist fraglich
  • die Lebensdauer der Akkus ist zu gering
  • Elektromobilität ist für den Standort Deutschland ein wirtschaftliches Desaster, da bis zu 600.000 Stellen verloren gehen können
  • als „echte Alternative zu Verbrennungsmotoren” wird die Brennstoffzelle beworben
  • die Brennstoffzelle sei absolut emissionsfrei
  • wegen der aufwendigen Technik werden Werkstätten und Tankstellen weiterhin benötigt – Arbeitsplätze bleiben erhalten
  • Wasserstoff löst nicht nur das Mobilitätsproblem, es löst auch unser Energieproblem

Die Korrespondenz

Am 05.10.2017 schreibe ich an die plusminus-Redaktionen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

erst ungläubig, dann mit schierem Entsetzen habe ich Ihren plusminus-Beitrag „Der Traum vom Elektroauto“ in Ihrer Sendung am Mi, 04.10.2017 verfolgt. Unfassbar und erschütternd faktenfern, was Sie dort zusammenfabuliert haben, um Wasserstoff und Brennstoffzellenfahrzeuge als die bessere Alternative zu reinen Elektroautos (BEV) zu präsentieren.

Brennstoffzellenfahrzeuge sind ja ebenfalls Elektroautos – mit Brennstoffzelle als Range Extender. Sie benötigen zum Fahren einen Akku als Puffer, weil nur so die stark wechselnden Lastanforderungen bedient werden können. Die Brennstoffzelle lädt diesen Akku auf und fungiert so wie ein Verbrennungsmotor bei Hybridfahrzeugen. Auch Rekuperation, also die Rückgewinnung von Energie beim Bremsen, ist nur über den Pufferakku möglich.

In dem Moment, wo der „Pufferakku“ so viel Energie speichern kann, dass damit ähnliche Reichweiten wie mit einem Brennstoffzellen-Range Extender erzielt werden können, wird die Brennstoffzellentechnik – zumindest im Mobilsektor – obsolet. Und da sind wir schon jetzt: 500km echte Reichweite sind bei preislich vergleichbaren BEV bereits realisierbar.

Die von Ihnen postulierten „Nachteile“ von reinen Elektrofahrzeugen gelten also auch für Brennstoffzellenfahrzeuge – und dazu kommen dann noch die erheblichen Nachteile dieser speziellen Technologie:

  • extrem schlechter Wirkungsgrad der Gesamtenergiekette (nur 10-13%)
  • Brennstoffzellen benötigen Platin
  • Hochdrucktanks im Fahrzeug (800bar)
  • extrem teure Infrastruktur (eine H2-Tankstelle kostet 1 Mio €)
  • Technologiekette mit vielen aufwändigen Zwischenschritten

Oh, den letzten Punkt führen Sie ja als Vorteil an. Aufwendige Technik = Arbeitsplätze. Mit dieser Logik wäre es allerdings konsequent, verpflichtend den Faustkeil als einziges in Deutschland zugelassenes Werkzeug wieder einzuführen.

Und woher kommt eigentlich der Wasserstoff?

So viele Möglichkeiten gibt es da nämlich nicht, eigentlich sind es nur zwei:

  1. Wasserstoff wird per Dampfreformierung aus Erdgas (Methan) gewonnen.
  2. Wasserstoff wird per Elektrolyse aus (sauberem!) Wasser erzeugt.

Bei Methode 1 fällt genausoviel CO2 an wie bei der direkten Verbrennung des Methans. Keine wirklich gute Idee, wenn man Wasserstoff als klimafreundlichen Kraftstoff etablieren will. Da ist es technologisch erheblich einfacher, das Methan in Ottomotoren direkt zu verbrennen.

Methode 2 ist extrem energieintensiv: Für die Elektrolyse braucht man jede Menge elektrischen Strom. Also sind die nächsten wichtigen Fragen:

Woher kommt der Strom? Wieviel Strom braucht man? Wie effizient wird der Strom genutzt?

Weil die Wasserstofftechnologie viele technische Zwischenschritte erfordert, die bestenfalls jeweils einen Wirkungsgrad von 50-60% bei der Energieumwandlung aufweisen, fällt der Gesamtwirkungsgrad (als Produkt der Wirkungsgrade aller Teilprozesse) auf skandalöse 10-13%. Das heißt: von 100% eingesetzter Primärenergie gehen rund 90% verloren, bevor sie in Wasserstoffautos letztlich als Bewegungsenergie zur Verfügung steht.

Bis wir im Überfluss erneuerbarer Energien schwelgen, ist es viel klüger, da um Größenordnungen effizienter (und damit umweltfreundlicher), Elektroenergie in Akkus zu speichern und in reinen Elektroautos in Mobilität umzusetzen. Es ist viel effizienter, es ist viel billiger, es ist technologisch viel einfacher umzusetzen. Nicht zuletzt die Kosten für die erforderliche Infrastruktur (Ladestationen) sind geradezu lächerlich gering im Vergleich zu der für Wasserstoffautos.

Eine Technologie wie den Wasserstoffantrieb, die 90% Energie verschwendet, ernsthaft als umweltfreundlich etablieren zu wollen, ist ein Skandal, der den Vergleich mit dem Abgasbetrug von VW nicht zu scheuen braucht.

Zum Weiterlesen:

Mit freundlichen Grüßen,
Stephan Hilchenbach

(Aufmerksame Leser*innen meines Blogs werden hier viele Passagen meines Blog-Artikels „Wasserstoff ???” vom 02.12.2015 wiedererkennen. Ich muss ja auch nicht immer wieder bei Null anfangen.)


Am 09.10.2017 erhalte ich folgende Antwort vom NDR-Redakteur Daniel Krull (Redaktionen „Markt“ und „PlusMinus“):

Sehr geehrter Herr Hilchenbach,

vielen Dank für Ihre Mail und Ihr Interesse an PlusMinus.
Ihre Kritik an meiner Berichterstattung kann ich allerdings nicht teilen. Warum, werde ich Ihnen nachfolgend darlegen.
Dass Brennstoffzellenfahrzeuge ebenfalls Elektroautos sind, wurde im Beitrag erwähnt. Der Elektromobilität gehört sicher ein großer Teil der Zukunft. Nur um den Weg in die elektrische Zukunft geht es in dem Beitrag. Dazu habe ich mit sehr vielen Fachleuten aus der Forschung (Universitäten, DEKRA) und der Herstellung (VW, Audi, Mercedes, BMW) und der Politik (Bundesverkehrsminister) gesprochen. Der überwiegende Teil dieser Fachleute sieht in der batteriebetriebenen Elektromobilität eine Nischenerscheinung für spezielle Aufgaben (Postautos für Kurzstrecken, Carsharingmodelle), nicht aber eine massenkompatible und zukunftsweisende Mobilitätsform. nicht umsonst entwickelt die Deutsche Post neben den erfolgreichen batteriebetriebenen E-Fahrzeugen ein Wasserstofffahrzeug, weil die bisherigen E-Autos immer wieder an ihre Grenzen stoßen. Die Autobauer setzen übrigens auf E-Fuels und die Brennstoffzelle. Die Experten der DEKRA sehen ebenfalls diese beiden Antriebarten vorne. Der Noch-Bundesverkehrsminister sieht die Brennstoffzelle weit vorne.
Sie müssen nun nicht in ungläubiges Entsetzen verfallen, wie bei meinem Beitrag, denn die Einschätzungen der Fachleute sind begründet. Ich versucht, dies in meinem Beitrag darzulegen. Zu allererst wird ein Ausbau der Infrastruktur zur flächendeckenden Stromversorgung der Autos in Großstätten von allen Experten geradezu ausgeschlossen. Zig Milliarden € und viele Jahrzehnte wären von Nöten, diese Infrastruktur zu schaffen. Dazu fehlen Steuerungskonzepte. Wie bezahlt wer den Strom an wen? Wie werden Verbräuche exakt berechnet? Wie löst man das Problem der Stromüberkapazitäten und der Stromunterversorgung, da man ja nur noch sauberen Strom verwenden will. Alleine diese Argumente reichen, um das Thema Batterie für die breite Masse ad acta zu legen. Dann kommen weitere Probleme, die den Komfort betreffen. Wer will eine Stunde und länger neben seinem Auto stehen müssen, bis der AKKU aufgeladen ist? Was passiert in der kalten Jahreszeit? Möchten Sie ohne Heizung fahren? Oder heizen Sie Ihre Heizung mit einem benzinbetriebenen Zusatztank und konterkarieren damit den Öko-Effekt? Wie gehen Sie damit um, dass der Akku bei frostigen Temperaturen nur noch die Hälfte der Kapazität hat? Im Sommer haben Sie das gleiche Spiel mit Ihrer Klimaautomatik. Läuft sie, können Sie dem Akku beim entladen wunderbar zugucken. Das Radio einmal laut aufgedreht macht sich auch gleich bemerkbar. Die Menschen wollen sauber autofahren. Sie wollen aber möglichst keine Abstriche machen. Akzeptanz ist das Zauberwort mit dem Sie Gewohnheiten aufbrechen und Änderungen erreichen. Dies schaffen Sie nur mit Mobilitätsmodellen, die sich ähnlich anfühlen, wie das bisherige und trotzdem absolut sauber sind. Die Brennstoffzelle ist eins davon, die Batterie sicher nicht.

Nun zu den von Ihnen aufgeführten Nachteilen.
– Der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle liegt bei zwischen 20 und 40 %. wenn Sie die gesamte Energiekette mit einbeziehen, liegen Akkus nämlich dann auch nicht bei 90 %, sondern bei ca. 60 %. Noch nicht abgezogen sind die Energieverluste durch den Transport durch Hochspannungsleitungen, der bei geschätzten zehn bis 20 % liegt.
– Hochdrucktanks sind kein Nachteil. Wo soll der liegen? Sie sind stark verformbar und nicht gefährlicher als Akkus, die man nicht löschen kann.
– Noch brauchen Brennstoffzellen Platin. Sächsische Forscher haben aber gerade eine Brennstoffzelle ohne Platin entwickelt. Akkus brauchen dafür das seltene Metall Kobalt, dass unter unfassbaren Zuständen in Afrika und China abgebaut wird.
– Tankstellen für Wasserstoff sind damit um ein vielfaches billiger, als der Aufbau einer Ladeinfrastruktur.
– Wasserstoff mit reiner Windenergie erzeugt –  das ist die Forderung in unserem Beitrag-  ist die sauberste Energieform, die wir momentan haben. Dieser Wasserstoff ist zudem der ideale Energiespeicher für Stromspitzen und überschüssigen Strom. Die angeblich aufwendigen Zwischenschritte, die Sie nennen, gibt es im Elektrolyseverfahren nicht. Der hohe Energieverbrauch sticht nicht, weil die Windenergie bisher in großen Mengen regelrecht verpulvert wird. Sie steht kostenlos zur Verfügung und sollte genutzt werden, anstatt Probleme, wie blackouts zu verursachen.
– Ob der Verlust des Arbeitsplatzes ein gutes oder schlechtes Argument ist, sollten wir den betroffenen Arbeiter und die Sozialkassen fragen.

Zu Ihren Quellen, die ich mir im Vorfeld der Recherche auch zu Gemüte geführt habe. Es gibt nur eine einzige nicht interessengelenkte Quelle darunter und zwar die des österreichischen  Umweltbundesamtes. Und diese Studie belegt, dass die Brennstoffzelle eine Alternative ist und dass der Wasserstoff mit Windenergie (Elektrolyse) erzeugt, ein 100% sauberer Antrieb ist.

Wenn es tatsächlich gelingen sollte, eine andere Form der Batterie zu entwickeln, die innerhalb weniger Minuten lädt und beständig ist gegen Frost und Hitze, dann sieht die Sache allerdings wieder anders aus. Angeblich gibt es eine solche Erfindung. Die Frage ist, ob es sich um einen Fake oder die Wahrheit handelt: https://www.texasmonthly.com/energy/all-charged-up-john-goodenough/

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Krull
NDR
Wirtschaft und Ratgeber
Redaktionen „Markt“ und „PlusMinus“
Hugh-Greene-Weg 1
22529 Hamburg


Am 10.10.2017 antworte ich Herrn Krull:

Sehr geehrter Herr Krull,

vielen Dank für Ihre Mail. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich die Zeit für eine ausführliche Antwort genommen haben.

Allerdings nimmt meine Irritation nicht ab.

Kann es vielleicht sein, dass Sie noch nie mit einem Elektroauto gefahren sind? Ich meine nicht nur ein paar Meter, sondern mal ein paar Tage oder zumindest eine längere Strecke, so dass Sie Handling, Komfort und Ladevorgänge tatsächlich beurteilen können. Ihre „Argumente“ contra BEV wirken wie eine Ansammlung gängiger Vorurteile, die Sie einfach unreflektiert wiedergeben. Da vermisse ich ein wenig, nennen wir es mal: journalistische Sorgfalt.

Ich kann Ihnen aus meiner mittlerweile 4jährigen rein elektrischen Fahrpraxis berichten, dass ich im Sommer weder im Fahrzeug schwitzen noch im Winter frieren muss. Mein 4 Jahre altes BEV der Einsteigerklasse verfügt über eine effiziente Wärmepumpe, die aus wenig elektrischer Energie ein Vielfaches an Kälte bzw. Wärmeenergie liefert. Im Winter genieße ich zudem den Komfort, auf Wunsch bei Abfahrt stets in ein angenehm vorklimatisiertes Fahrzeug mit eisfreien Scheiben einzusteigen, ganz ohne fossil befeuerte Standheizung. Läuft die Klimaanlage, muss ich keineswegs „dem Akku beim Entladen wunderbar zugucken“, denn sie verbraucht so wenig, dass ich es selbst in einer ganzen Winternacht im Stau kuschelig warm haben kann, ohne dass der Akku auch nur halb leer wird.

Ja, die Reichweite ist im Winter geringer als im Sommer, aber sie schrumpft keinesfalls auf die Hälfte. Woher haben Sie diesen Wert? Bei mir sind es 160km im Sommer und 120km im Winter. Mit leerem Akku liegengeblieben bin ich noch nie (im Gegensatz zu etlichen Journalisten auf diversen Testfahrten). BEV mit klimatisiertem Akku verhalten sich übrigens im Winter ähnlich performant wie im Sommer.

Beim Laden habe ich noch nie eine Stunde neben meinem Elektroauto gestanden und gewartet. Diese Vorstellung ist absurd. Schnellladen auf Langstrecke unterwegs dauert nur eine halbe Stunde, und die Ladezeit nutze ich sinnvoll, indem ich z. B. Einkaufen oder Essen gehe – oder mich einfach auf einem Spaziergang entspanne. Ladezeiten zu Hause oder im Büro sind irrelevant, da sie dann stattfinden, wenn das Auto ohnehin steht. Ich spare mir also die Zeit, in der die Fahrer/innen von Verbrennern oder Brennstoffzellenfahrzeugen extra zu einer Tankstelle fahren und dort während des ganzen Tank- und Bezahlvorgangs anwesend sein müssen, komplett ein.

Ganz und gar unbegründet ist Ihre Radio-Angst. Ich rechne das gerade mal für Sie aus:

Nehmen wir an, das Radio zieht konstant großzügige 100W, das wäre schon ziemlich laut, und im Elektroauto muss man ja keinen Motorenlärm übertönen. Eine aktuelle Renault ZOE mit 41kWh-Akku kommt im Sommer bei gemäßigter Fahrweise mit einer Akkuladung reale 300km weit. Nehmen wir für diese 300km eine Gesamtfahrzeit von 5 Stunden an (wegen unterschiedlicher Geschwindigkeiten). Wenn das Radio die ganze Zeit ununterbrochen an und sehr laut ist, verbraucht es in dieser Zeit also 0,1kW * 5h = 0,5kWh. Der Rest ist einfacher Dreisatz: Erzielbare Reichweite mit 41kWh = 300km; erzielbare Reichweite mit (41kWh-0,5kWh) demnach rund 296 km. Das ist eine Differenz von nicht mal 4km oder anders ausgedrückt eine Verkürzung der Reichweite um 1,33%. Nichts, worum man sich ernsthaft Gedanken machen müsste. Von „Radio einmal laut aufgedreht macht sich auch gleich bemerkbar.“ kann also keine Rede sein. Warum schreiben Sie so etwas?

Das wirft natürlich ein gewisses Licht auch auf die Belastbarkeit und Seriosität Ihrer anderen Behauptungen.

Sie schreiben, unter den von mir angeführten Quellen gäbe es nur eine einzige nicht interessengelenkte. Gleichzeitig führen Sie als Ihre Quellen „sehr viele“ Fachleute aus Forschung und Herstellung sowie Politiker an, fragen also – wie ich es sehe – die Böcke, was diese denn künftig in ihrem Garten anzubauen gedenken. Sehr differenziert und frei von Interessen scheint mir das nicht.

Im Übrigen belegt die Studie des österreichischen  Umweltbundesamtes zur Abschätzung der Emissionen von wasserstoff- und brennstoffzellenbetriebenen Fahrzeugen eben gerade nicht, „dass die Brennstoffzelle eine Alternative ist und dass der Wasserstoff mit Windenergie (Elektrolyse) erzeugt, ein 100% sauberer Antrieb ist“, wie Sie behaupten. Lesen Sie nochmal den Abschnitt 5.3 „Der Einfluss von Wasserstoffemissionen“. Dort heißt es: „Mögliche Konsequenzen eines Anstieges der H2-Emissionen wären eine  Reduktion der globalen OH-Konzentration, was zu einer längeren Lebensdauer (und daher zu einer höheren Konzentration) des Treibhausgases Methan führen würde [SCHULTZ  2003]. Eine weitere Folge könnte eine erhöhte Wasserdampfbildung in der Stratosphäre sein, die diese abkühlt und dadurch eine Regeneration der Ozonschicht verzögert [TROMP 2003].“ Weiter heißt es: „In den Studien wird weiters darauf hingewiesen, dass eine Wasserstoffgesellschaft erhebliche Veränderungen in der chemischen Zusammensetzung der Troposphäre bewirken  würde. Über diese Auswirkungen ist bisher noch wenig bekannt und bedarf daher zukünftig intensiver Forschungsarbeit.

(Allerdings konzentriert sich meine Argumentation contra Brennstoffzellenfahrzeuge vorrangig und zunächst auf deren schlechte Energiebilanz und weniger auf noch ungeklärte, aber offenbar potenziell ebenfalls problematische globale Auswirkungen von Wasserstoffemissionen.)

Ich möchte noch etwas auf Ihre weiteren Argumente eingehen.

Zu allererst wird ein Ausbau der Infrastruktur zur flächendeckenden Stromversorgung der Autos in Großstätten von allen Experten geradezu ausgeschlossen. Zig Milliarden € und viele Jahrzehnte wären von Nöten, diese Infrastruktur zu schaffen.“ – Interessant wäre es nun auch, zu erfahren, wie sich diese Experten den Aufbau einer flächendeckenden Wasserstofftankstellen-Infrastruktur vorstellen, welche Kosten hierfür veranschlagt werden und welcher Zeitrahmen gesetzt wird.

Wie bezahlt wer den Strom an wen? Wie werden Verbräuche exakt berechnet?“ – Nun, an kostenpflichtigen öffentlichen Ladestationen zücke ich entweder eine RFID-Karte oder bemühe eine Handy-App eines geeigneten Abrechnungsdienstleisters, mit dem ich zuvor einen Vertrag geschlossen habe. Der schickt mir später eine Sammelrechnung und bucht den Rechnungsbetrag ab. Es gilt entweder ein Zeittarif und/oder es werden die tatsächlich geladenen kWh abgerechnet. Beim Laden zu Hause gilt mein Hausstromtarif. Wo sehen Sie hier ein Problem?

Wie löst man das Problem der Stromüberkapazitäten und der Stromunterversorgung, da man ja nur noch sauberen Strom verwenden will.“ – Auch hierfür gibt es Lösungsansätze und bereits durchgeführte Pilotprojekte. Ich persönlich finde z. B. Stromtarife interessant, die abhängig vom aktuellen Grünstromanteil im Strommix und dem Belastungszustand des Netzes zu zeitnah variierenden Strombezugskosten führen. Dann wird geladen, wenn es billiger ist, also vor allem nachts, und die Ladezeiten vieler gleichzeitig ladender BEV können automatisiert entzerrt werden. BEV können so einen signifikaten Beitrag zur Netzstabilisierung leisten. Und mit Konzepten wie V2G und V2H wird es erst richtig interessant.

Aber nochmal zur Energieeffizienz eines Brennstoffzellenfahrzeuges. Sie dürfen nicht nur den Wirkungsgrad der Brennstoffzelle betrachten, der bestenfalls – unter Idealbedingungen – bei 60% liegt. Die Wirkungsgrade aller beteiligten Teilprozesse multiplizieren sich. Vereinfachtes Beispiel: Photovoltaikanlage/Wechselrichter → Akku stationär → Elektrolyse → Verdichtung → Brennstoffzelle → Akku → Elektromotor. Wirkungsgrad: 0,9 × 0,94 × 0,8 × 0,88 × 0,6 × 0,94 × 0,95 = 0,32. Und hier sind noch nicht einmal alle erforderlichen Prozesse betrachtet. Das für die Elektrolyse benötigte Wasser muss z. B. vorher gereinigt werden. Wasserstoff muss transportiert werden. Wasserstofftankstellen benötigen Energie und Zwischenspeicher.

Bei akkubetriebenen Elektroautos hingegen ist die Prozesskette viel kürzer: Photovoltaikanlage/Wechselrichter → Akku stationär → Akku im Fahrzeug → Elektromotor. (Netztransportverluste habe ich hier wie auch in der Kette oben ausgelassen.) Wirkungsgrad: 0,9 × 0,94 × 0,94 × 0,95 = 0,75.

Prinzipbedingt – und die Physik lässt sich nicht überlisten – wird ein BEV also immer deutlich effizienter betrieben werden können als ein Brennstoffzellenfahrzeug.

Nun sagen Sie ja: Wasserstoff soll mit reiner Windenergie erzeugt werden. Sie sind sich hierbei aber schon darüber im Klaren, dass wir dann für Brennstoffzellenfahrzeuge dreimal soviel Windkraftwerke benötigen, um die gleiche km-Leistung wie für BEV abdecken zu können? Mit anderen Worten: Zwei Drittel noch zu errichtender Windkraftwerke machen dann nichts anderes, als die Energieverluste der Wasserstoffwirtschaft zu kompensieren. Strom wird dadurch teurer, nicht billiger. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein erstrebenswertes Ziel ist.

Hochdrucktanks sind kein Nachteil. Wo soll der liegen? Sie sind stark verformbar und nicht gefährlicher als Akkus, die man nicht löschen kann.“ – Unterschätzen Sie nicht die Psychologie. Warum haben CNG-Fahrzeuge in den letzten 20 Jahren kaum Verbreitung gefunden? Ich selbst bin 10 Jahre lang eins gefahren und konnte in dieser Zeit sowohl viel Geld als auch viel CO2 einsparen. Für die Masse scheint diese Antriebsart dennoch nicht attraktiv zu sein, trotz 900 Erdgastankstellen in Deutschland. Vielen, mit denen ich gesprochen habe, war der Drucktank (200bar) nicht geheuer. Und seit dem VW-Desaster (geplatzter Erdgastank eines Tourans im September 2016 in Duderstadt) ist diese Skepsis nicht geringer geworden. Warum, glauben Sie, soll das nun bei Wasserstofffahrzeugen anders sein? Und was Akkus betrifft: Wie viele Akkubrände sind bislang aufgetreten?

Sächsische Forscher haben aber gerade eine Brennstoffzelle ohne Platin entwickelt. Akkus brauchen dafür das seltene Metall Kobalt, dass unter unfassbaren Zuständen in Afrika und China abgebaut wird.

Um es nochmal in Erinnerung zu rufen: Auch Brennstoffzellenfahrzeuge benötigen Fahr-Akkus.

Und unter welchen Umständen Rohstoffe gewonnen und verarbeitet werden, ist keine Frage der Technologie, sondern der sozialen Ökonomie und der Verantwortung der Hersteller. Da gibt es noch viel zu tun, keine Frage. Die schlimmen Zustände sind jedoch nicht gottgegeben. Wir können sie ändern, wenn wir es wollen.

Auch an alternativen Akkutechnologien, die keine sog. seltenen Erden verwenden, wird intensiv geforscht. Ich wage eine Prognose: Ehe wir eine einsatzfähige, massenproduzierbare platinfreie Brennstoffzelle kaufen können, hat sich die Akkutechnologie längst konkurrenzlos weiterentwickelt. In den letzten 4 Jahren wurde z. B. die Energiedichte von Fahrzeugakkus verdoppelt – bei gleicher Baugröße und fast gleichem Gewicht. Noch eine solche Iteration und BEV haben Reichweiten und Kosten, mit denen Brennstoffzellenfahrzeuge nicht mehr sinnvoll mithalten können.

Tankstellen für Wasserstoff sind damit um ein vielfaches billiger, als der Aufbau einer Ladeinfrastruktur.“ – Dieses „damit“ erschließt sich mir aus Ihrer Argumentation nicht. Haben Sie konkrete Szenarien und Zahlen? Ein einfaches Rechenbeispiel: Für die Kosten einer einzigen Wasserstofftankstelle, die mit 1 Mio € veranschlagt werden, kann man 200 AC-Ladestationen zu je 5.000,- € errichten. Ich rede nicht von Schnellladestationen, sondern von flächendeckender Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum, da kommt man mit kleinen Ladeleistungen aus. Wie viele Wasserstofftankstellen werden für eine flächendeckende H2-Infrastruktur benötigt? Mit der gleichen Investition können Sie Ladestationen im Faktor 200 installieren.

Wasserstoff mit reiner Windenergie erzeugt –  das ist die Forderung in unserem Beitrag-  ist die sauberste Energieform, die wir momentan haben. Dieser Wasserstoff ist zudem der ideale Energiespeicher für Stromspitzen und überschüssigen Strom. Die angeblich aufwendigen Zwischenschritte, die Sie nennen, gibt es im Elektrolyseverfahren nicht. Der hohe Energieverbrauch sticht nicht, weil die Windenergie bisher in großen Mengen regelrecht verpulvert wird. Sie steht kostenlos zur Verfügung und sollte genutzt werden, anstatt Probleme, wie blackouts zu verursachen.

Zu den Zwischenschritten habe ich ja oben schon etwas geschrieben. Das Elektrolyseverfahren ist nur ein einziger Teil der Gesamtkette, die hier betrachtet werden muss.

Wir sind uns einig, dass Windenergieüberschuss sinnvoll genutzt werden soll. Meiner Auffassung nach sind aber auch hier Batteriestromspeicher die überlegene Technologie. Und wenn diese verteilt in BEV ohnehin existieren und ans Netz angebunden werden können, brauchen wir keine energieverschwendende Wasserstofftechnologie, sondern können die Energie viel effizienter speichern. Das wiederum bedeutet, dass wir weniger Windkraftwerke bauen müssen bzw. dass die, die gebaut werden, den Kohleanteil am Strommix viel schneller verdrängen können.

Wann war eigentlich der letzte windstromüberschussverursachte Blackout in Deutschland? Meines Wissens können Windkraftwerke einfach und schnell abgeschaltet werden.

Mit freundlichen Grüßen,
Stephan Hilchenbach


–to be continued–